Fortsetzung: Mit Erkenntnissen aus der Service Wissenschaft zu besseren Unternehmens-Apps gelangen

20.2.2019 - Christina Canclini

Mit Erkenntnissen aus der Service Wissenschaft zu besseren Unternehmens-Apps gelangen

Im zweiten Teil unseres Interviews mit dem Experten für Smart Services und Data Product Design Dr. Jürg Meierhofer werden wir den Fokus unserer Fragen etwas enger stellen und uns den Apps zu wenden. Herr Meierhofer wird dabei erläutern, wie Apps einen Beitrag zur Optimierung von Geschäftsprozessen liefern können und was es bei der Umsetzung von Unternehmens-Apps aus Sicht der Service Science zu berücksichtigen gibt.

Wir haben vom Experten für Smart Services und Data Product Design Dr. Jürg Meierhofer bereits erfahren, was Smart Services sind und wie bei der Gestaltung von smarten Lösungen vorgegangen und worauf besonders geachtet werden soll. Forschungsnahe Vorgehensmethoden und praktische Umsetzungstipps sind in unserem ersten Interviewteil zu finden. Nun wenden wir uns konkreter den Apps zu und stellen dem Experten Fragen in diesem Kontext.

Dr. Jürg Meierhofer

Dr. Jürg Meierhofer
ZHAW School of Engineering
Forschungsschwerpunkt Business Engineering and Operations Management

smoca: Teil eines Smart Services kann eine App sein, damit lassen sich Lösungen umsetzen oder ergänzen. Herr Meierhofer, wo sehen Sie den Einsatz von Apps als nutzbringend?

J. Meierhofer: Ein Service ist immer sinnvoll, denn es geht darum einen Nutzen oder einen Mehrwert durch Wissen oder Information zu generieren. Eine App ist aus meiner Sicht einfach das Userinterface einer Lösung, dahinter steckt eine Businesslogik die sorgfältig entwickelt werden muss. Der grosse Vorteil von Apps ist sicherlich, dass diese heute jeder kennt, also im Verhalten der Anwender eingeführt und akzeptiert sind. Im Rahmen eines Service Blueprints sollte immer die gesamte Customer Journey berücksichtigt werden und dabei die Frage nach dem richtigen Kanal gestellt werden. Eine App wird selten über die ganze Customer Journey der richtige und einzige Kanal sein, kann aber für einzelne Schritte sehr nutzbringend sein.

In welchen Bereichen kommen Apps an ihre Grenzen bzw. wären andere Lösungen sinnvoller?

Im industriellen Bereich, wo die Anwender z.B. die Hände nicht frei haben, Handschuhe tragen etc., ist eine klassische App, wie wir sie heute kennen, nicht immer das Richtige. Da wäre beispielsweise ein Chatbot mit Sprachein- und -ausgabe denkbar.

Gemäss einer Studie von Firebase bleiben 25% der Apps ungenutzt. Welche Fehler werden Ihrer Meinung nach bei der Umsetzung von Apps oft gemacht?

Es wird nicht die ganze Customer Journey berücksichtigt. Denn in der ersten «Awareness» Phase, wo es darum geht, die Aufmerksamkeit des Kunden zu gewinnen, ist eine App oft nicht die richtige Lösung, weil der Griff zum mobilen Gerät einfach nicht in jeder Situation dem natürlichen Reflex des Kunden entspricht. Oft stellen auch Registrationsprozesse eine grosse Hürde dar. Es gibt aber kaum eine Patentlösung, diese Problematiken zu umgehen. Grundsätzlich sollten sicher die Einstiegshürden möglichst gering gehalten werden.

Wie können Apps einen Beitrag zur Optimierung von Geschäftsprozessen liefern?

Im Geschäftsalltag gibt es das Problem sicher seltener, dass eine App nur einmalig installiert und dann nicht mehr benutzt wird. Wenn die App im Geschäftsprozess bzw. im Arbeitsalltag so eingebettet ist, dass es den Anwendern eine Erleichterung bringt, ist es sicher eine sinnvolle Art, einen Service zu designen. Nach der Service Theorie geht es bei einem Service um gegenseitigen Austausch von Nutzen, idealerweise erhält also das Unternehmen einen Wert, aber auch der Anwender, so dass es für beide Seiten attraktiv ist, die App zu nutzen. Und es ist heute ja wirklich das Userinterface, das die Leute stets dabei haben.

Welche Ratschläge würden Sie jemandem geben, der eine App für sein Unternehmen entwickeln lassen möchte?

Wichtig ist es, die App Idee in Co-Creation zusammen mit den Mitarbeitern, den Kunden bzw. den späteren Anwendern zu entwickeln. Auch seltene oder unerfahrene User für den Anwendungsfall sollen in den Gestaltungsprozess mit einbezogen werden. Anhand von Prototypen lassen sich die Ideen im Kontext frühzeitig und beliebig testen. Anfangs können das ganz simple Prototypen, also z.B. auch ein Handy aus Karton oder ein simulierter Chatbot per Telefon sein, um einen ersten Lösungsansatz zu testen. Laufend kann der Prototyp ausgebaut werden und mit Iteration arbeitet man sich ohne grosse (Fehl-)Investitionen zur richtigen Lösung vor. Dabei können laufend alle Stakeholders abgeholt werden, also auch die Sponsoren des Projekts oder andere interne Anspruchsgruppen. Zum Zeitpunkt, wo der Nutzen der App verständlich geworden ist und erkannt wurde, wie oft und wie die App genutzt wird, sollte überschlagsmässig ein einfacher Business Case gerechnet werden. Wird es sich rechnen, die App zu bauen? Wird sich die Einsparung durch die App irgendwann auszahlen? Falls nicht, könnte auch ein strategischer Gedanke oder die Zufriedenheit der Kunden oder Mitarbeiter, o.ä. ein Grund zur weiteren Entwicklung sein. Wird aber erkannt, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis sehr schlecht ist, sollte man auch den Mut haben, das Vorhaben abzubrechen.

Macht es heute noch Sinn Apps zu entwickeln oder werden diese bald durch neue Technologien abgelöst? Wie schätzen Sie die Entwicklung von Apps ein?

Chatbots, Sprachassistenten oder VR Anwendungen werden das Userinterface einer App, wie wir es heute kennen, vermutlich in den nächsten Jahren stark verändern. Wird aber die Businesslogik hinter der App wie oben beschrieben sorgfältig entwickelt, kann bei Bedarf früher oder später der Wechsel auf ein anderes Interface mitgemacht werden.

Vielen herzlichen Dank Herr Meierhofer für Ihre Zeit und die vielen spannenden Inputs!

Kontakt

Smoca AG
Technoparkstrasse 2
Gebäude A, 3. Stock
8406 Winterthur

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